Hans Platschek Preis für Kunst und Schrift
Die Hans Platschek Stiftung in Hamburg, 2005 vom Anwalt Kurt Groenewold gegründet, vergibt seit 2008 jährlich im Rahmen der art karlsruhe den Hans Platschek Preis für Kunst und Schrift. Der Preisträger wird auf Vorschlag eines jährlich wechselnden autonom entscheidenden Jurors vergeben.
Der Berliner Künstler Hans Platschek, der zuletzt in Hamburg lebte, aber zuvor auch in Weltstädten wie London, Paris und Rom, war als Jugendlicher mit seinen Eltern nach Südamerika geflohen, weil der Alltag unter dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland für die Familie unerträglich wurde (die Mutter war Jüdin).
Preisträger 2024: Paula Doepfner
„Eine beeindruckende Aktualität“ attestiert Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, den Text-Zeichnungen von Paula Doepfner, Jahrgang 1980, in Berlin zuhause. Die Künstlerin war Meisterschülerin von Rebecca Horn an der Universität der Künste in Berlin und setzt sich mit Krisen und Kriegen auseinander. Sie gilt folglich als existentiell orientierte Zeichnerin. Dabei bewegt sie sich auf literarischen Spuren von Schriftstellern wie Paul Celan und Robert Musil.
Marion Ackermann wurde von der Preisverleiherin - der Hamburger Hans Platschek Stiftung - eingeladen, als Solo-Jurorin eine Persönlichkeit für den Preis 2024 zu nominieren. Im Werk Paula Doepfners, dass oft aus gesprochenem Wort und bildnerischem Schaffen besteht, stellt sich eine kongeniale Beziehung zu Hans Platschek her.
Paula Doepfner ist aktuell bis zum 28. Januar 2024 mit einer Ausstellung, „Darkness at the break of noon“, im Residenzschloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden vertreten. Sie wird sich während der art karlsruhe 2024 in Halle 3 der Messe in den Dialog mit Arbeiten von Hans Platschek begeben. Eindrucksvoll wird die Preisträgerin, die an der Charité in Berlin immer wieder bei Obduktionen zuschaut und Skizzen macht, für die große Öffentlichkeit dokumentieren, dass Kunst sehr viel mehr ist, als schöne Bilder zu schaffen. Ganz im Sinne von Hans Platschek.
Werkauswahl von Paula Doepfner
Paula Doepfner, „I got nothing, Ma, to live up to“, Text: „Vergiss Deinen Namen nicht - Die Kinder von Auschwitz“ von Alwin Meyer, Tinte auf Gampi Papier, 101 x 180 cm, 2022 - 2023. Foto: Mathias Schormann
Hans Platschek, das Vorbild
Zweifellos zählt der 1923 in Berlin geborene und im Jahr 2000 in Hamburg gestorbene Maler und Schriftsteller Hans Platschek zu den Künstlern, die die Kunst nach 1945 in Deutschland stark beeinflusst haben. Wie viele seiner Kollegen entwickelte er zunächst eine ungegenständliche Malerei, oft in dunklen, erdigen Tönen gehalten, um dann bereits Ende der fünfziger Jahre aus dem Informel auszubrechen und sich zunehmend einer figurativen Malerei zu widmen. Verrat, so schimpften manche seiner Künstler-Freunde. Im Gegenzug gehörte Hans Platschek, der auch mit seinen Büchern (etwa „Über die Dummheit in der Malerei“ oder „Von Dada zur Smart Art“) und Aufsätzen für reichlich Zündstoff sorgte, zu den Vordenkern, die keinem Konflikt aus dem Weg gingen, deren nachdenklich stimmende Thesen stets lebhaft geführte Debatten einleiteten.
An Hans Platschek, den Sohn einer 1939 ins Exil nach Uruguay geflüchteten Jüdin, im Jahr des 100. Geburtstages zu erinnern, ist seiner Stiftung und auch der Messe Karlsruhe ein besonderes Anliegen. Immerhin haben in der Vergangenheit zahlreiche Doppelbegabungen wie Platschek und Schleime, darunter Werner Büttner und Jonathan Meese, den renommierten Preis für Kunst und Schrift in den Karlsruher Messehallen erhalten. Auch Cornelia Schleime wird im Rahmen der üblichen Sonderschau der Stiftung ihre Arbeit mit Bildern des einstigen Biennale- und documenta-Teilnehmers in den Dialog setzen dürfen.
Wie Platschek als 16-Jähriger seine Geburtsstadt Berlin verlassen musste, so gab auch Schleime „nach mehreren Ausreiseanträgen“ (Köhler) ihre Heimat vorübergehend auf, um im Neuanfang bildnerisch zu verarbeiten, was ihr widerfahren ist. „Ihr weit gefasster Kunstbegriff führte von 1981 an zu Ausstellungsverboten“, erläutert Thomas Köhler, nicht ohne auf den folgenden Karriere-Neustart zu verweisen: „Sie zählt heute zu den bekanntesten deutschen Künstlerinnen ihrer Generation“.
Das Interview
Der Autor und Herausgeber der KUNSTZEITUNG, Karlheinz Schmid, über Hans Platschek.
Karlheinz Schmid: Er hatte die seltene Gabe, hohe Intellektualität und lustvollste Sinnlichkeit miteinander verbinden zu können. Seine Persönlichkeit war von diesen beiden Kräften dominiert, wie er andererseits gleichermaßen über zwei Ventile verfügte, die sein Denken und Fühlen in de Öffentlichkeit brachten. Hans Platschek malte, was er nicht beschreiben konnte oder wollte, und im Gegenzug verfasste er immer wieder Texte, wenn seine Bildmittel zu versagen drohten, wenn seine Gedanken weit über den Keilrahmen hinausreichten. Ein Wechselspiel, das er bis zuletzt virtuos zu nutzen wusste.
Karlheinz Schmid: Natürlich war Platschek klug und erfahren genug, wissenschaftlich arbeiten zu können. Er favorisierte aber eindeutig die Möglichkeit, neben seiner eigenen Malerei auf Leinwand oder Papier mit Worten farbig zu werden. Ja, er war ein Literat, freilich allzeit der Kunst verpflichtet. Sie war sein lebenslanges Thema, und er scheute sich dabei nicht im geringsten, auch gnadenlos Netzbeschmutzung zu betreiben, einzelne Kollegen persönlich anzugreifen, wenn er von ihrer Botschaft nicht überzeugt war. Ein Polemiker, wie es in den vergangenen Jahrzehnten im Kunstbetrieb nur wenige gab.
Karlheinz Schmid: Sein größtes Feindbild war Joseph Beuys. Unvergessen, wie wir in der ersten Hälfte der Achtziger, bevor der damals überall umschwärmte Beuys früh starb, nächtelang stritten, uns gottlob aber immer wieder versöhnten. Was manche Laien unterstellten, nämlich Scharlatanerie, das versuchte Hans Platschek, freilich wortreich unterlegt, in noch extremer Weise zu verbreiten. Dass er damit den Jungs und Mädels auf dem Hamburger Kiez imponieren wollte, dachte ich oft. Doch wenig später musste ich dann wieder irgendwo exakt das lesen, was er nachts referiert hatte. Eine wilde Zeit, eine Zeit, in der es in der Kunst ums Ganze zu gehen schien.
Karlheinz Schmid: Ich vermisse meinen väterlichen Freund, einen großartigen Künstler. Und ich bin froh, dass die Hamburger Hans Platschek Stiftung auf der art karlsruhe per Preisvergabe und Ausstellung Jahr für Jahr daran erinnert, dass dieser Maler und Kritiker ein Werk hinterlassen hat, das nach wie vor der Auseinandersetzung dient.
Bisherige Preisträger und Juroren
- 2023 Cornelia Schleime, Malerin | Juror: Dr. Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie
- 2022 Osmar Osten, Maler | Jurorin: Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar
- 2021 Monika Baer, Malerin | Jurorin: Christina Végh, Direktorin der Kunsthalle Bielefeld
- 2020 Helga Schmidhuber, Malerin | Juror: Prof. Dr. Alexander Klar, Direktor der Kunsthalle Hamburg
- 2019 Monica Bonvicini, Malerin und Perfomancekünstlerin | Jurorin: Prof. Bettina Steinbrügge, Direktorin des Kunstvereins Hamburg
- 2018 Michael Kunze, Maler | Juror: Dr. Gregor Jansen, Kunsthistoriker, Publizist und Kurator
- 2017 Jonathan Meese, Maler und Performancekünstler. | Juror: Florian Illies, Kunsthistoriker und -kritiker
- 2016 Justin Almquist, US-amerikanischer Künstler. | Juror: Matthias Mühling, Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus
- 2015 Rikuo Ueda, japanischer Künstler aus Osaka. | Juror: Sebastian Giesen, Kunsthistoriker
- 2014 Sandra Boeschenstein, Schweizer Künstlerin, lebt und arbeitet in Zürich. | Jurorin: Ulrike Groos, Leiterin Kunstmuseum Stuttgart
- 2013 GIOM (Guillaume Bruère), französischer Zeichner, Maler, Bildhauer und Performancekünstler. | Juror: Robert Fleck, Kunstakademie Düsseldorf
- 2012 Rolf Bier, Maler, Schriftsteller und Objektkünstler. | Juror: Ulrich Krempel, Direktor des Sprengel Museums Hannover
- 2011 Werner Büttner, veröffentlich neben bildnerischen Werken auch aphoristische Texte. | Juror: Harald Falckenberg, Kunstsammler
- 2010 Monika Grzymala, Zeichnungen und Papierinstallationen. | Juror: Axel Hecht, Kunstkritiker und langjähriger Chefredakteur der Kunstzeitschrift „art“
- 2009 Friedrich Einhoff, Maler und Zeichner. | Juror: Werner Hofmann, ehemaliger Direktor der Hamburger Kunsthalle
- 2008 F. W. Bernstein, Zeichner und satirischer Schriftsteller. | Juror: Manfred Eichel, ehemaliger „aspekte“-Chef